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Louis Siciliano – Die Qualität des Klangs

Es ist ein anspruchsvolles Projekt. Denn Louis Siciliano erfindet sich neu. Er müsste es nicht, denn er ist erfolgreich. Der Pianist aus Neapel und Wahl-Römer hat Dutzende Filmmusiken geschrieben, ist international als Komponist, Produzent, Künstler unterwegs.

Er hat ein Netzwerk, das ihn mit verschiedenen Kosmen verknüpft, der weltmusikalischen Ferne und der volksmusikalischen Nähe, der Offenheit des Jazz und der Klarheit des Pop. Das ist eine Basis, auf die Louis Siciliano bauen kann, in die er sich betten könnte. Aber sie ist ihm nicht genug. Er will weiter, Grenzen vergessen, die Opulenz verknappen, um sie neu sich entwickeln zu lassen. Und Louis Siciliano wählt das Piano Trio als Medium.

„Wir sind weit vom Mainstream entfernt. Ich habe eigentlich bislang mein ganzen Leben auf diesen Punkt eingearbeitet. Es geht um die Offenheit der Imagination und des Umgangs mit Musik. Ich bin ein Reisender, meine Freunde leben in aller Welt, Europa, Amerika, in Indien, wo ich auch viel Zeit verbracht habe. Das ist ja gerade das Wunderbare an der Musik. Sie ist universell. Wenn man in ihr verwurzelt ist, steht alles offen. Das ist auch der Kern des Trios.“

An der Seite von Louis Siciliano agieren der Bassist Roberto Bellatalla und der Schlagzeuger Mauro Salvatore. Es ist ein erfahrenes Team. Roberto Bellatalla lebte lange in London und arbeitete dort unter anderem mit Avantgardisten wie Keith Tippett und Louis Moholo, Mauro Salvatore wiederum stammt aus der italienischen experimentellen Musikszene und versteht sein Instrument als vielseitigen Impulsgeber weit über die Grundlage des Beats hinaus. Der Bandname Mumex Trio ist ein Verweis auf Sicilianos Klang- und Strukturforschungen, die er im Winter 2020 unter dem Titel „Music Multiverse Exploration: A New Cosmology Of Sound“ auch als Buch zusammengefasst hat. Dabei ist es ihm wichtig, zusammenzuführen, was zusammen gehört: den Fluss der Melodien und die tonalen Feinabstimmungen, ein System der Klänge und das kontrapunktische Netz, rhythmische Pulse und freie Assoziationsräume, vereint durch die Gestaltungskraft des Spielers und Komponisten.

„Die Qualität des Klangs ist für mich zentral und damit greife ich auch weit in das Innere einer Musik hinein, die schon Jazzkünstler wie Yusef Lateef und John Coltrane erforscht haben. Musik als Erkundung, als Expedition. Mit meinen beiden Mitspielern gelingt mir dieser Neustart. Ich habe lange davon gelebt, als Komponist für Filme zu schreiben. Das ist eine wunderbare Arbeit, aber meine Leidenschaft ist es eigentlich, selbst zu spielen, für ein Publikum, mit anderen Musikern, für mich selbst. Ich glaube fest an die Kraft des Konzerts und dessen Unmittelbarkeit, das ist etwas sehr Starkes, etwas Magisches.“

Mehr noch. Es lässt sich auch in der Freundschaft eines harmonierenden Trios über den Moment hinaus verdichten. Das Programm und Album „Folds Of Time“ ist daher gleichzeitig Experiment und Statement, entstanden im Studio im Winter 2021. Siciliano, Bellatalla und Salvatore haben sich dabei nicht an die Regeln von Songformaten und Stilgewohnheiten gehalten. Ihre Stücke können ausschweifen und Geschichten entwickeln, ohne festen Vorgaben zu gehorchen. Sie bleiben melodisch und zugleich frei von motivischen Erwartungen, integrieren offen fließende Passagen ebenso wie kompakte Kommunikationen. Sie sind Gespräch und Assoziation in einem, schweben im kosmologischen Geflecht eines Trios, das sich nicht festlegen muss, um eine eigene Sprache zu finden. Und sie warten auf den Moment, in die Welt zu starten.

„Am Ende ist es zentral, die Beziehung zu den Menschen, zum Publikum aufzubauen. Deshalb haben wir das Programm möglichst authentisch und natürlich aufgenommen, mit bestmöglichem Sound im Studio und einem dazugehörenden Live-Video. Auch das ist für mich ein Schlüsselwort: Authentizität. Menschen aus aller Welt, Jazzliebhaber schauen sich diese Aufnahmen auf YouTube an, sich schreiben mir, sind begeistert. Wenn auch bislang über die Kameras und Mikrophone vermittelt, so lässt sich ein guter Teil dieser besonderen Stimmung schon auf dem Album vermitteln. Unsere Mission aber ist es, damit auf der Bühne zu stehen. Dann am Ende ist live die Botschaft, the Real Thing“.
Text: Ralf Dombrowski

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