Ein Beitrag von Ralf Dombrowski. Es geht um Auflösung ohne Zerstörung, um Erweiterung ohne Verlust. Auf der ersten Ebene treffen Hierarchien aufeinander. Da ist das Streichquartett mit einer bewährten, auch traditionell fixierten Form musikalischer Beziehungen. Das Repertoire, Schubert in diesem Fall, mit Empfindungen, Hör- und Spielnormen. Die Äußerungssituation üblicherweise fest im Raum fixierter Beteiligter, sowohl Musiker:innen wie Publikum, mit klarer Kommunikation, Bühne, Inhalt, Adressat, Wirkung.
Dazu kommt auf zweiter Ebene der Tanz, antipodisch. Körper bewegen sich im Raum, choreografiert, aber frei in der Anmutung. Zwei Tänzer übernehmen Motive, werden zu Instrumenten, schlüpfen in Rollen des Musikalischen. Verhältnisse verblassen, Zuordnungen durchmischen sich. Lieder werden körperlich, der Klang bewegt sich mit den Gestalter:innen. Das Quartett gibt seine Positionen frei. Momente der Zerbrechlichkeit, der Unsicherheit trotz Sicherheit der Melodien.
Und dann der Mut der Bilder. Schuberts Dunkelheit, dezentes Pathos der Bewegungen, die Tänzer übernehmen die Führung. Sie entgrenzen die Musik, heben die Räumlichkeit des Quartetts auf. Sie ändern die Linien, legen die Musiker:innen hin. Schubert spielt weiter, wird über die Bühne gezogen, ein Totentanz ohne Wahnsinn. Am Ende der gemeinsame Atem. Unaufgeregt werden Gewohnheiten aus dem Geist des Experiments verändert. Ein performatives Programm der Kraft.
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Im Rahmen des SIGNUM open space-Projekt verbindet sich das Quartett auf ungewöhnliche und überraschende Weise mit einer anderen Kunstsparte. Dazu eingeladen wurden Ende des letzten Jahres der großartige spanisch-baskische Choreograf und Tänzer Juan Kruz Diaz de Garayo Esnaola, einem langjährigen Mitglied der weltberühmten Tanz-Kompanie Sasha Waltz. Für eine Auswahl der von Xandi van Dijk arrangierten Schubert Lieder kreiert der Choreograf jeweils eine kurze, in sich geschlossene Choreografie, in der die Musiker gemeinsam mit ihm und dem Tänzer Martí Corbera die dynamisch agierenden Protagonisten sind. Diese Zusammenarbeit ist eine große Herausforderung für das Signum Quartett. Das gewohnte Spiel-Umfeld wird erstmals komplett verlassen, um ohne Noten, in vielen äußerst ungewohnten Spielpositionen und im BewegungsDialog mit den Tänzern der Atmospähre von Schuberts Musik nachzuspüren. Daraus entwickelt sich eine einzigartige und gleichwertige Verbindung zwischen musikalischem, körperlichem und visuellen Ausdruck, die in ihrer anrührenden Poesie und starken Präsenz Schuberts Musik neue Blickwinkel verleiht. Bei der intensvien Probenarbeit im Dezember in Bremen hat der renommierte Musikjournalist und Fotograf Ralf Dombrowski Momente der ungewöhnlichen Zusammenarbeit der Künster*innen eingefangen. Ein Video zu dem Projekt ist in Arbeit.
Weitere Informationen gibt es unter www.signumquartet.com